Welche Faktoren erklären das täglich schwankende Trinkwasseraufkommen am Beispiel Leipzig?
Wasserversorger in ganz Deutschland sind immer wieder mit täglich schwankenden Trinkwasserverbräuchen konfrontiert. Manche Schwankungen sind einfach zu erklären und z. B. bedingt durch Jahreszeiten. Andere Schwankungen jedoch sind scheinbar nicht vorhersehbar und unterscheiden sich in manchen Jahren stark voneinander. Um trotz allem stets eine optimale Trinkwasserversorgung gewährleisten zu können, müssen die Wasserversorger deshalb über ausreichend Puffer-Kapazitäten verfügen.
Diese notwendigen Redundanzen kosten den Wasserversorgern viel Geld und müssen optimal vorgehalten werden. Um sich langfristig erfolgreich aufzustellen, fragen sich Wasserversorger daher, welche Faktoren den täglichen Trinkwasserverbrauch erklären und wie sich diese zukünftig entwickeln werden. Im Rahmen des VKU Hackathons 2019 haben wir uns dieses Problems angenommen und den Trinkwasserverbrauch der letzten drei Jahre in Leipzig analysiert. Im folgenden werden nicht die tatsächlichen Werte dargestellt, sondern fiktive Werte genutzt.
Bei der Betrachtung des Trinkwasserverbrauches im Jahresverlauf fallen verschiedene Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Neben saisonalen und wetterbedingten Abhängigkeiten scheint es auch einzelne Events zu geben, die den Verlauf beeinflussen. Vor dem Hintergrund der Datenverfügbarkeit und der erwarteten Aussagekraft haben wir uns für die Betrachtung der folgenden vier Einflussfaktoren entschieden:
Welchen Einfluss haben das Wetter und das Klima auf den Trinkwasserverbrauch (z. B. die Faktoren Niederschlag, Temperatur, Sonnenscheindauer, etc.)?
Wie wird der Trinkwasserverbrauch durch Großevents wie z. B. Messen, Festivals und Sportveranstaltungen beeinflusst? Können Events einzelne Peaks erklären?
Inwiefern hängt der Trinkwasserverbrauch von den Wochentagen und den damit einhergehenden unterschiedlichen Aktivitäten der Menschen ab? Welche speziellen Auswirkungen sind an den Wochenenden zu beobachten?
Wie verändert sich der Trinkwasserverbrauch während der Ferienzeiten in Sachsen bzw. an Feiertagen?
Wie kann man den tatsächlichen Trinkwasserverbrauch mit Hilfe eines Machine-Learning-Ansatzes modellieren?
Auf Basis der tatsächlichen Tagesverbräuche im Zeitraum von 2016 - 2018 der Wasserwerke Leipzig haben wir den Einfluss verschiedener Faktoren auf den Trinkwasserverbrauch analysiert. Unser Vorgehen orientiert sich dabei an den folgenden Schritten:
Analyse (u. a. Güte, Detaillierungsgrad, etc.) und Aufbereitung der zur Verfügung gestellten Daten
Definition der relevanten Einflussfaktoren sowie der Detaillierungsebene vor dem Hintergrund der Datenverfügbarkeit
Berechnung des Trinkwasserverbrauchs im Jahresverlauf mit den festgelegten Einflussfaktoren
Ausgabe und Analyse der Ergebnisse der Modellierung und Vergleich der Korrelationen
Es wurden die oben beschriebenen Einflussfaktoren in verschiedener Ausgestaltung und in Kombination modelliert. Die Modellierung umfasste insbesondere:
Das Wetter an dem relevanten Tag “heute” führt zu den besten Modellierungsergebnissen und der geringsten Abweichung im Vergleich zu den tatsächlichen Verbräuchen.
Die Verwendung des Wetters am Vortag (“gestern”) führte zu keiner Verbesserung der Modellierungsergebnisse.
Die Kombination von “heute” und “gestern” führte ebenfalls zu keiner Verbesserung der Modellierungsergebnisse.
Die Hinzunahme des Wetters von "vorgestern” führte ebenfalls zu keiner Verbesserung.
Auch die zusätzliche Betrachtung der Events, Wochentage/Wochenende und Ferien/Feiertage führt nicht dazu, dass die Modellierungsergebnisse weiter an den tatsächlichen Trinkwasserverbräuchen liegen.
Im Ergebnis liegt die Auswertung nahe, dass nur der gewählte Parameter des Wetters am relevanten Tag auf Basis der vorhandenen Daten eine Erklärung für den tagesscharfen Trinkwasserverbrauch liefert.
Mit dem Prognose-Tool ermitteln wir die Verbräuche für 2019.
Auf der Basis der Modellierung der historischen Daten ist es möglich, die zukünftigen Trinkwasserverbräuche grob zu prognostizieren. Unter Berücksichtigung des Wettertrends der nächsten zehn Tage ist mit folgendem Trinkwasserverbrauch zu rechnen:
Zur Verbesserung unseres Modells haben wir sechs methodische Ansätze und Datenquellen identifiziert.
Die oben beschriebene Modellierung ist ein guter Schritt in Richtung Modellierung und Prognostizierung der Trinkwasserverbräuche im Jahresverlauf. Bei der Bearbeitung sind uns jedoch weitere Einflussfaktoren aufgefallen, die in einer zukünftigen Modellierung unserer Meinung nach Berücksichtigung finden sollten:
Zunächst sollten weitere mögliche Einflussfaktoren in Zusammenhang mit Großverbrauchern analysiert und deren Einfluss untersucht werden. Zum Beispiel könnten der Verbrauch von Gewerbeeinheiten in Abhängigkeit der Jahreszeit oder einzelne Feuerwehreinsätze mit hohem Löschwassereinsatz von Relevanz sein.
Es ist anzunehmen, dass nach längeren Trockenperioden der Trinkwasserverbrauch höher liegt. Die in unserer Modellierung berücksichtigten ein bis zwei Tage der Vergangenheit sollten ergänzt werden um eine Betrachtung der vergangenen zwei, vier oder sechs Wochen.
Im Jahresverlauf gibt es eine Vielzahl von Störungen bis hin zu Rohrbrüchen, die zu einzelnen Peaks führen können. Bis ein Rohrbruch identifiziert wird, läuft oft eine große Menge an Trinkwasser aus dem Netz. Eine Analyse der einzelnen Vorfälle kann dazu beitragen, den historischen Verlauf zu erklären.
Eine weitere Idee ist die Verschneidung mit Verkehrsdaten, die zeitlich und räumliche genaue Aufkommensdaten liefern, die auch Annahmen für die Trinkwassernachfrage erlauben.
Das Klima verändert sich auch in Deutschland zunehmend. Der trockene Sommer 2018 ist ein gutes Beispiel dafür, dass das Wetter extremer wird und sich dadurch der Wasserverbrauch von Haushalten und Gewerbe verändert. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Anzahl trockener Perioden in Zukunft weiter zunehmen und es mehr Starkregen-Perioden geben wird.
Die Bevölkerungsentwicklung beeinflusst direkt das Trinkwasseraufkommen in den Städten. Leipzig ist eine stark wachsende Großstadt. Dieses Wachstum wird auch zukünftig anhalten, sodass bis 2030 über 650.000 Einwohner in Leipzig wohnen werden. Dies wird für die Wasserwerke Leipzig dazu führen, dass die insgesamte Menge an Trinkwasseraufkommen steigen wird.
Die Leipziger Wasserwerke sind Teil der Leipziger Gruppe und versorgen Leipzig und die angrenzende Umgebung mit ca. 37 Mio. m³ Trinkwasser jährlich.
Jede Stadt ist anders beschaffen bei Niederschlagsbedingungen, Grundwasservorräte, Infrastrukturen. Für Leipzig haben wir verfügbare Daten zur Wasserinfrastruktur in einer interaktiven Karte zusammengetragen.